Ist Bio nicht das beste?
Viele Bio-Landwirte leisten aus Überzeugung wichtige Arbeit, die ein Signal setzt für ein Streben nach Verbesserung in den Bereichen Naturschutz und Qualität des Endprodukts. Solche Landwirte brauchen wir. Doch das Bio-Siegel allein ist kein Zeichen höchster Qualität.
Auch gewährleistet das Bio-Siegel nicht das beste Tierwohl oder die beste Pflege der Umwelt. Das gilt auch für die Siegel von Bioland, Naturland oder Demeter: Tatsächlich ist solches Fleisch dem Produkt aus reiner Weidehaltung nicht selten unterlegen. Wie kann das sein?
Bio (EG-Öko) ist ein von der Europäischen Union geschützter Begriff. Wer seine Ware als Bio vermarkten und mit dem grünen Siegel versehen möchte, muss eine Reihe von Auflagen erfüllen. Ganzjährige Weidehaltung ist nicht vorgesehen, lediglich ein kleiner Auslauf. Rinder dürfen während der Endmast bis zu drei Monate ganz ohne Auslauf im Stall gehalten werden.1 Die Zufütterung beispielsweise mit Getreide ist üblich.
Diese Richtlinien führen nicht zum höchsten Tierwohl und daher nicht zur besten Fleischqualität. Auch die übrigen Vorteile ganzjähriger Weidehaltung – Sozioökonomie, Klima, Artenvielfalt und Kultur – können Betriebe nicht erreichen, wenn sie sich auf die Bio-Vorgaben beschränken. Das Siegel allein genügt nicht, wenn der Landwirt selbst nicht aus Überzeugung nach Verbesserung strebt.
Der Landwirt Eliot Coleman beschreibt Landwirtschaft nach solchen Bio-Siegeln als eine Fortführung der industriellen Herangehensweise mit grünen Mitteln. Es sei eine Betrachtung der natürlichen Umwelt als unzureichendes, oft übelwollendes System, welches Veränderung und Verbesserung bedürfe.
Ganzjährige Weidehaltung geht, richtig durchgeführt, den entgegengesetzten Weg: Sie ahmt natürliche Ökosysteme bestmöglich nach. So gewinnen alle am meisten: Tiere, Menschen und Natur.
Entscheidet sich ein Betrieb für konsequent ganzjährige Weidehaltung, kann er zusätzlich die Auflagen eines dieser Siegel erfüllen. Das eröffnet zusätzliche Vermarktungswege, verbessert jedoch nicht die Qualität seiner Erzeugnisse. Das Bio-Siegel ist kein Qualitätsmerkmal und selbst als Vermarktungshilfe ein zweischneidiges Schwert: Man kann Produkte fürchterlicher Qualität mit Bio- oder gar Naturland-Siegel finden. Diese schlechte Qualität kann man als stellvertretend für alle Produkte mit diesem Siegel verstehen.
Das Bio-Siegel garantiert einen Mindeststandard hinsichtlich der Schadstoffbelastung und Umweltverträglichkeit. Das ist ein Vorteil gegenüber konventioneller Ware. Höchste Güte erreichen wir hingegen nur, wenn wir nach stetiger Verbesserung streben ausgehend von ganzjähriger Weidehaltung.