Betäubung und Tötung durch Kugelschuss auf der Weide

[Achtung: Seit August 2021 gelten neue Regeln und Gesetze bei dieser Art der Schlachtung. Das Buch Weidefleisch – Handbuch für Erzeuger und Verbraucher bildet den aktuellen Stand ab.]

Bei der Hof- und Weidetötung (teils missverständlich bezeichnet als Weideschlachtung oder verbreitet als Kugelschuss auf der Weide) wird das Tier auf der Weide kontrolliert aus geringer Entfernung durch einen Kopfschuss getötet. Der Transport des lebenden Tieres zum Schlachthaus entfällt. Das Tier erleidet keinerlei Stress, der Tod tritt unmittelbar durch Blutentzug ein. Hinsichtlich des Tierwohls ist dies die humanste Methode der Schlachtung, anders als der Transport ins Schlachthaus oder ein Angriff durch Wildtiere. In Verbindung mit der Mutterkuhhaltung bleiben dem Tier hierbei lebenslang jegliche Transporte erspart. Einzige Alternative wäre der fußläufige Gang der Tiere in eine Schlachterei direkt am Hof.

Weidetötung wirkt sich positiv auf die Fleischqualität aus. Ablesen lässt sich das an Kriterien wie pH-Wert, Zartheit, Farbe und Wasserhaltevermögen. Die prämortalen Belastungsfaktoren sind minimal für das geschossene Tier und die den Abschuss und Zusammenbruch beobachtenden Herdengenossen.1 Hinsichtlich des Tierwohls übertrifft die Betäubung und Tötung per Kugelschuss auf der Weide die Standards der Bio-Siegel wie Naturland und Bioland, deren Tiere in der Regel Tiertransporte erleiden und in regulären Schlachthäusern verarbeitet werden.

Die Tötung auf der Weide ist in Deutschland schon lange gesetzlich verankert, die Hof- und Weidetötung in der Schweiz seit Mai 2016.2 Europaweit geregelt und seit August 2021 national umgesetzt ist die Schlachtung im Herkunftsbetrieb von Rindern, Schweinen und Einhufern unter Nutzung einer mobilen Schlachteinheit.

Der Prozess zur Genehmigung erfordert neben entsprechenden Fortbildungen auch zeitlichen und finanziellen Einsatz. Diese Investitionen nutzen dem Wohl von Tier und Mensch deutlich. Möchte ein Landwirt die teilmobile Schachtung anwenden, so darf er die Betäbung und Tötung der Tiere mit entsprechender Sachkunge selbst durchführen oder kann einen Metzger (Hoftötung) oder Jäger (Weidetötung) beauftragen.3

Bezüglich der praktischen Durchführung liegen unterschiedliche Erfahrungen vor: Der Schuss kann auf der freien Fläche aus geringer Distanz abgegeben werden (Sicherung durch Kugelfang, erhöhte Schussposition). Ebenso ist möglich, in einem Korral zu arbeiten. Jedoch sollte immer eine Gruppe von Tieren beisammen sein.

Der Abschuss selbst ist kein Spektakel. Es knallt, die Tiere schrecken mild auf, eines bricht zusammen. Die übrigen Tiere nehmen das bestenfalls zur Kenntnis und fressen weiter. Es empfiehlt sich, sie alsbald vom Abschussort zu entfernen, damit sie kein Blut riechen. Unter Verwendung einer mobilen Einheit darf das Tier außerhalb dieser entblutet werden, das Blut jedoch ist aufzufangen und am Schlachtbetrieb zu entsorgen.

Laut einer Untersuchung aus dem Jahr 2014 eignet sich für den Kugelschuss in den meisten Fällen am besten das Kaliber .22 Magnum.4 Es habe eine ausreichende Eintrittsenergie, verursache jedoch keine Ausschüsse, was Sicherheit für Mensch und Tier gewährleiste. Allerdings empfiehlt sich das Zurückgreifen auf Erfahrungswerte zum Beispiel vom BSI Schwarzenbek oder Gerd Kämmer von Bunde Wischen eG.

Der Kugelschuss auf der Weide ist kein Standardverfahren. Zur Erleichterung der Beurteilung von Anträgen hat die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e. V. ein Merkblatt zusammengestellt. Es enthält Ausführungen zum Tierschutzrecht, Lebensmittelrecht, Tierseuchenrecht, Ordnungsrecht/Waffenrecht, Genehmigungsverfahren, Organisation und weiteren relevanten Punkten.5

In diesem Video sehen Sie eine Möglichkeit, wie der Kugelschuss auf der Weide ablaufen kann. Es handelt sich um den Betrieb von Annette und Ernst Hermann Maier, auch bekannt unter dem Stichwort Uria:

Ernst Hermann Maier ist ein Pionier des Kugelschuss auf der Weide. Er hat viele Jahre für eine Genehmigung dieser Methode gekämpft und sein mittlerweile zusammen mit seiner Tochter geführter Betrieb ist in jeder Hinsicht vorbildlich hinsichtlich des Tierwohls.

Weiter verbreitet ist die Methode mit Hilfe eines separaten Geheges und einer Kanzel wie in diesem Video vom FiBL: FiBL – Weideschlachtung – Eine tiergerechte und stressfreie Schlachtmethode (Mai 2015):

Die Umsetzung beim Naturschutzverein Bunde Wischen e.V.: GEO Medien – Kugelschuss auf der Weide

Viele Details zur Konstruktion des Abschussortes, der bewährten Praktiken, Art des Projektils etc.:

https://youtu.be/ZnnKaihyZyk?t=5m31s

Dieser Bericht des Bayerischen Rundfunk zeigt den Vorgang bei Herbert Siegel. Er kommt ohne zusätzliche Baumaßnahme aus und nutzt das natürliche Gelände als Kugelfang:

https://www.youtube.com/watch?v=IUInbe0-pIU

Fußnoten

  1. Katrin Juliane Schiffer (2015) Hofschlachtung von Rindern per Kugelschussmethode. Universität Kassel, ISBN 978-3-8440-3951-1.
  2. FiBL – Medienmitteilung: Weideschlachtung gesetzlich erlaubt. Fibl.org. 3. Juni 2016.
  3. Trampenau, Lea (2011) Kugelschuss auf der Weide – Widersprüchliche Verordnungen behindern tierschutzgerechtes Schlachtverfahren. Kritischer Agrarbericht 2011.
  4. Retz et al (2014) Betäubungswirkung verschiedener Gewehrkaliber bei der Schlachtung von Weiderindern. LANDTECHNIK, 69(6), 296–300.
  5. TVT Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e. V. (2013) Merkblatt Nr. 136 Kugelschuss auf der Weide als Betäubungs- / Tötungsverfahren zur Schlachtung von Rindern. Bramsche.