Ihre Fingernägel sind drei Zentimeter gewachsen, während Sie telefoniert und gegoogelt, Hofläden besucht und Wochenmärkte besichtigt haben und trotzdem konnten Sie keinen Weidefleisch-Anbieter finden? Was nun?
Wo kein Angebot ist, muss man es erschaffen. Landwirte müssen Geld verdienen wie jeder andere auch. Wenn sich eine Gelegenheit zu mehr Butter auf dem Brot bietet, nutzen sie die. Im Weg steht dabei nur das abzuwägende Risiko. Landwirte sind so vielfältig wie alle Menschen: Es gibt Querdenker und Knauser, Träumer und Trottel, faule Säcke und fleißige Bienen. Je nach Landstrich stehen Hürden vor der Weidehaltung:
Investitionen für Tiere, Betreuung und Weidefläche; Zäune, Unterstand und zusätzliches Futter; Arbeitsaufwand, Transport und Schlachtung; Zerlegen, Verpacken und Vermarkten. Jeder kann vorhersehen: All das kostet Geld und Zeit.
Unvorhersehbar ist indes der Erfolg der Vermarktung. Mehrere Hundert Kilo Fleisch verkaufen sich nicht von selbst. Finden sich nicht genug Abnehmer, verdirbt die Ware und der Landwirt verliert Geld. Vor diesem Risiko schrecken viele zurück, auch wenn das finanzielle Wagnis relativ klein ist.
Findet sich hingegen ein Dutzend Privatkunden oder ein Restaurant, das die Abnahme garantiert, sieht die Rechnung anders aus. 300 kg Fleisch für zwölf Haushalte ergibt Pakete zu 25 kg. Je nach Verbrauch kann der Landwirt auf diesem Weg zwei bis vier Tiere pro Jahr vermarkten. Das genügt nicht zum Leben, zumal der Aufwand für so wenige Tiere im Verhältnis hoch ist. Doch es ist der erste Schritt auf dem Weg zu einem lohnenden Betriebszweig.
In der Regel vergrößert sich der Kundenkreis von selbst durch Mundpropaganda. Das erleichtert dem Landwirt die Vermarktung, er kann seine Herde vergrößern und damit den Aufwand besser verrechnen.
Je nach Landkreis und Rechtslage ergeben sich allerdings weitere Herausforderungen: Wer Tiere halten, schlachten, zerlegen und verkaufen möchte, muss sich durch einen Dschungel aus Vorschriften schlagen. Manche Kontrolleure und Nachbarn fühlen sich dabei an wie eiskaltes Regenwasser, das in den Nacken tropft und im Rücken herabläuft.
Das lässt nur ein Landwirt mit einer starken Vision über sich ergehen oder einer, der kräftige Unterstützung von seinen Kunden bekommt.
Weidehaltung und die Erzeugung von Weidefleisch mit all seinen Vorteilen ist ein Vorhaben, das der Landwirt am besten gemeinsam mit seinen Kunden angeht und umsetzt. Der Kunde möchte etwas essen, der Landwirt weiß es zu erzeugen. Das ist ein guter Grund zur Zusammenarbeit.
So können Sie ein Weidefleisch-Angebot schaffen:
- Gleichgesinnte finden. Finden sich genügend Abnehmer, wird das Vorhaben für den Landwirt attraktiver. Fragen Sie herum unter Familie, Freunden und Bekannten.
- Einen Landwirt finden. Haben Sie alle Ihnen bekannten potenziellen Kunden erfasst, suchen Sie einen Landwirt in Ihrer Umgebung aus, tragen Sie ihm Ihr Anliegen vor und erzählen Sie von Ihrer Vorarbeit bei der Kundensuche. Machen Sie deutlich: Sie wollen keinen Mastbullen aus dem Stall kaufen, sondern ausschließlich ein Weidetier (oder mehrere). Ist er gar nicht interessiert, kann er vielleicht an einen Kollegen verweisen. Oder sie fragen einen anderen Bauern.
- Einen Metzger finden. Ein Metzger und dessen Räumlichkeiten sind zwar zwingend nötig für die Weidefleisch-Erzeugung, doch wichtiger sind Erzeuger und Abnehmer. Während der Anfangszeit wird sich meist wenigstens eine Übergangslösung finden. Suchen Sie einen Metzger in der Nähe ihres Landwirtes, der sowohl Schlachten (das Tier töten) als auch das Fleisch mehrere Wochen abhängen und zerlegen kann. Leider muss man dafür gelegentlich auf die Dienste mehrerer Metzger zurückgreifen: Nicht jeder ist bereit, das Fleisch so lange abzuhängen; andere wiederum haben keinen Raum zum Zerlegen der Tiere.
- Mehr Abnehmer finden. Immer wieder springen Kunden ab, ziehen um oder Kinder ziehen aus und die Familie schrumpft: Damit die Nachfrage nicht abbricht, braucht es gelegentlich neue Abnehmer. Je mehr Menschen Sie vom Weidefleisch Ihres Landwirtes erzählen, desto einfacher wird für ihn das Fortführen dieser Arbeit.
- Innereien essen: Ein Tier besteht nicht nur aus Filet und Rouladen. Innereien wie Rinderzunge und -herz zaubern dem Genießer ein Lächeln aufs Gesicht. Wer Fleisch essen möchte, ist auch verantwortlich für die Verwertung der Innereien. Das gebietet der Respekt vor dem Tier und unseren natürlichen Ressourcen. Obendrein ist es gesund, nahrhaft und erleichtert die Weidehaltung durch bessere Vermarktung.