Das Garen mit Sous-Vide-Technik vereinfacht nicht nur die Zubereitung perfekter Steaks und Braten, sondern ermöglicht erst höchste Güte sowie völlig neue Garzustände. Wer seine Erzeugungskette des Weidefleisch aus Weidehaltung, Schlachtung und Reifung zur Konsequenz bringen möchte, sollte seine Steaks Sous Vide garen.

Sous Vide ist das jüngste Kind in der Familie der Garmethoden. Da der Vorgang bereits andernorts ausführlich beschrieben ist, genügt eine kurze Zusammenfassung: Beim Kochen Sous Vide befindet sich das Gargut (etwa ein Stück Fleisch) in einem Kunststoffbeutel1, der in einem Wasserbad liegt. Die Wassertemperatur ist durch ein Sous-Vide-Gerät auf eine Nachkommastelle genau eingestellt. Genau darin liegt der wesentliche Unterschied zu älteren Garmethoden: Im Backofen weicht die Temperatur um ± 20 °C von der Einstellung ab und auch der Kochtopf auf dem Herd erlaubt keine genaue, feine Einstellung. Vom offenen Feuer ganz zu schweigen. Doch jedes Grad Celsius, sogar jedes Zehntel beeinflusst das Ergebnis um Welten:

Zwischen rare und medium rare liegen nur drei Grad Celsius.

Die Zustände von roh bis durchgebraten durchläuft ein Steak in den wenigen Grad zwischen 50 °C und 60 °C. Das verdeutlicht, warum auf eine Zubereitung in Ofen und Kochtopf kein Verlass ist: Die Temperatur­schwankungen sind hier zu groß. Selbstverständlich kann man Fleisch mit diesen traditionellen Techniken wie auch über einem offenen Feuer in eine Gaumenfreude verwandeln. Doch ein gutes Ergebnis erfordert dabei höchste Aufmerksamkeit und Erfahrung.

Zum Grillen, Braten oder Backen von Fleisch sind Zeitangaben verbreitet mit Bezug auf Größe oder Gewicht des Fleischstücks. Die Zeit ist hierbei jedoch zunächst Nebensache. Fleisch ist bei 50 °C roh – ganz gleich, ob es zehn Minuten der zwei Stunden bei dieser Temperatur verbringt. In Richtung 53 °C geht es in den Zustand über, den wir medium rare nennen. Da bleibt es, solange wir die 53 °C nicht überschreiten. Auch nach acht Stunden bei 53 °C ist das Stück noch medium rare.2 Ungefähr bei 55 °C beginnt medium und bei 60 °C ist es durchgebraten (well done).

Ribeye cap Sous Video gegart
Nicht nur im Kern, sondern bis zum Rand rosa: Ein Kinderspiel beim Garen Sous Vide (Hier: Ribeye cap bei 54 °C).

Nehmen wir als Beispiel das Grillen über einem offenen Feuer: Mehrere hundert Grad Celsius wirken auf das Fleisch ein. Der Wassergehalt im Fleisch hält die Temperatur an der Oberfläche nur kurze Zeit bei höchstens 100 °C. Ist das Wasser dort verdampft, steigt die Temperatur an der Oberfläche. Das Fleisch bräunt und bildet eine Kruste: Die Maillard-Reaktion tut ihr Werk. Genau das wünscht sich der Koch.

Derweil dringt jedoch die Hitze weiter in das Innere des Steaks vor. Möchte man das Steak medium rare grillen, muss es 53 °C erreichen. Und weil die Hitze sich den Weg vom Außen bis zur Mitte bahnen muss, kommt die Temperatur im Kern des Steaks zuletzt an. Allerdings bleiben es außen, an der Haustür des Steaks, mehrere Hundert Grad. Bis der Kern 53 °C erreicht hat, ist das umliegende Fleisch deswegen bereits heißer geworden: 54 … 55 … 56 … 57 °C bis zum Rand. 57 °C ist bereits medium auf dem Weg zu well done.

Nicht vergessen darf man dabei die Hitzeenergie im Fleisch selbst dann, wenn man es vom Grill nimmt: Die Physik fordert einen Ausgleich und das Fleisch wird nachgaren. Also muss man es vom Feuer nehmen, bevor es die gewünschte Temperatur erreicht hat. Sonst schießt man über das Ziel hinaus und bekommt genau den zähen, grauen Lappen, den man mit dem Ziel medium vermeiden wollte.3

Genau das ist die Herausforderung beim Garen mit traditionellen Mitteln: Ganz gleich wie viel Aufwand man betreibt und wie viel Erfahrung man hat, das Grillen, Braten und Backen ist stets ein Kompromiss, den wir am Farbverlauf des angeschnittenen Fleischs ablesen können. Es kann gelingen und schmecken. Doch man könnte ein besseres Ergebnis mit weniger Aufwand und Mühe erreichen.

Fleisch Sous Vide gegart
Dieses Stück färbt sich bei 54 °C bereits durchweg grau, ist jedoch trotzdem medium rare saftig.

Weil wir die Temperatur beim Garen Sous Vide genau einstellen können, entfernen wir die Zeit völlig aus der Gleichung.4 Wir müssen das Fleisch nicht rechtzeitig von der Hitze nehmen, denn die Temperatur steigt nie über die Einstellung hinaus. 53 °C: Medium rare. Das stelle ich am Sous Vide Gerät ein, lege das Fleisch ins Bad und warte nur so lange wie es dauert, bis das Fleisch im Kern die gewünschte Temperatur erreicht hat. Und weil es nicht zu heiß werden kann, können wir auch eine halbe oder ganze Stunden länger warten. Und wenn sich das Essen verspätet, dann hängen wir einfach noch zwei Stunden dran. Keine Hektik, kein Stress, wenig Planung.

Nimmt man das Fleisch aus der Tüte im Wasserbad heraus, sieht es allerdings nicht so aus, wie man es von den traditionellen Methoden kennt. Das versteht sich von selbst: Es ist nicht braun, wir haben die Oberfläche nicht geröstet, keine Röstaromen, keine Maillard-Reaktion. Das holen wir jetzt nach: Wir stellen eine Pfanne auf höchste Hitze (oder packen den Grill aus) und braten das Steak kurz von beiden Seiten an. Wirklich nur kurz, denn gar ist es bereits. Ziel dieses Anbratens oder Grillens ist das Erzeugen einer braunen Kruste zugunsten der Röstaromen (und der Optik). Auf keinen Fall soll das Fleisch dabei weiter garen. Deswegen muss es schnell gehen und das erfordert größtmögliche Hitze.

Weil das Steak den größten Teil seiner Garzeit keinen Stress hatte, muss es nach diesem Anbraten oder Grillen auch nicht ruhen. Die Temperatur im Inneren ist im Ausgleich, die Säfte gut verteilt.

Was passiert, wenn man das Fleisch länger im Sous-Vide-Bad belässt?

Belässt man das Fleisch längere Zeit im Sous-Vide-Bad, gart es zwar nicht über den gewünschten Zustand hinaus. Doch es geschieht durchaus mehr: Bleibt die Temperatur unter 55 °C, beschleunigt das den Reifeprozess. Denn bei diesen Temperaturen überleben noch jene Enzyme im Fleisch, die auch beim dry-aging ihre Arbeit leisten. Mehr noch: Wenn es so warm ist, arbeiten sie schneller. Gart man ein Filet fünf oder sechs Stunden bei 53 °C, wird es auf dem Teller mit großer Wahrscheinlichkeit auseinanderfallen. Es landet jenseits der Zartheit und verliert seine Struktur. Für ein Filet empfehle ich dieses Vorgehen nicht.

Von Natur aus festere Stücke wie die Hüfte oder Flank Steak eignen sich für diese Behandlung besser.

Doch längere Sous-Vide-Bäder ermöglichen noch andere Wunder. Zum Beispiel eine Extreme Form des Niedertemperaturgarens, die mit anderen Mitteln nicht möglich ist. Die genaue Temperaturkontrolle erlaubt zum Beispiel das Durchgaren der sonst so zäh wirkenden Shortribs mit geringstem Verlust an Saftigkeit. Das gilt für alle Stücke mit hohem Kollagengehalt: Das Bindegewebe gart erst ab 60 °C und wird weich. Stücke wie Shortribs oder Beinscheibe sind deswegen bei 57 °C medium gegart kaum genießbar und man gart sie traditionell eher zu Temperaturen um 80 – 90 °C. Diese hohe Hitze trocknet das Fleisch jedoch aus und gart es weit jenseits gut durch. Meist stört das niemanden, denn das Kollagen verwandelt sich dabei in Gelatine und sorgt wieder für ein Gefühl der Saftigkeit im Mund.

Jedoch ist beides möglich: Durchgegarte Shortribs vom Rind in Zartrosa, mit höchstem Saftanteil und vollkommen gelöstem Bindegewebe. Das erreichen wir durch lange Garzeiten: Short Ribs befinden sich nach 48 Stunden bei 65 °C in einem Zustand, der sich mit keiner anderen Methode vergleichen lässt. Kulinarisch ein Hochgenuss.

Ist Sous Vide für Weidefleisch besonders sinnvoll?

Ob Weidefleisch oder nicht, spielt für die Sinnhaftigkeit zunächst keine Rolle. Gart man Weidefleisch Sous Vide, bringt man den Wert der Weidehaltung, Schlachtung und Reifung zur Konsequenz. Die Vorteile des Sous-Vide-Garens gelten jedoch auch für Fleisch aus konventioneller Tierhaltung.

Allerdings gibt es wirklich Fälle, in denen sich Sous Vide besonders empfiehlt: Extensivrassen wie die Galloway- und Highland-Rinder (Schottische Hochlandrinder) verfügen in der Regel (!) über eher mageres Fleisch mit nur wenig intramuskulärem Fett. Genau dieses Fett dient allerdings dem Geschmack, denn es vermittelt ein Gefühl der Saftigkeit und Zartheit. Das Weidefleisch von Galloway- und Hochland-Rindern leidet deswegen im Geschmack besonders unter zu hoher Hitze beim Garen. Bei diesen Rassen wie bei jedem fettarmen Fleisch zwingen sich daher niedrige Temperaturen auf, welche sich Sous Vide am einfachsten umsetzen lassen.

Wann ist Sous Vide nicht sinnvoll?

Es gibt keine Regeln. Und Sous Vide ist noch immer eine verhältnismäßig neue Methode. Meiner Erfahrung nach lohnt sich das Wasserbad nicht für die Zubereitung einer Beinscheibe oder allgemein traditioneller Schmorgerichte. Ja, es gibt einen Unterschied. Doch die Stärke des Sous-Vide-Garens liegt gerade bei niedrigen Temperaturen. Empfehlen würde ich es stets, wenn das perfekt gegarte Steak (Ribeye, Entrecôte) gewünscht oder man einen Braten ohne Mühe auf den Punkt medium garen möchte. Für ein gutes Filet würde ich das Sous-Vide-Gerät hingegen in der Schublade lassen. Denn das ist so zart und delikat, da genügt wirklich nur eine Kruste von Grill oder Pfanne außen herum.

Auch für ein einzelnes Steak kann man freilich den Aufwand in Frage stellen.

Spätestens wenn man viele Personen bekocht oder gar mit Steaks versorgen möchte, ist Sous Vide der beste Helfer. Es erlaubt die Konzentration auf den Grill und die wünsche der Gäste. Die Hektik beim Verfolgen, Wenden und Beurteilen eines Dutzend Steaks auf dem Grill kann man sich sparen.

Sous Vide: Stick oder Standgerät?

Der Stick nimmt wenig Platz weg und ist flexibel. Als Gefäß kann man einen Kochtopf verwenden oder eine Kunststoffkiste. Die Standgeräte benötigen hingegen mehr Fläche und das Wasservolumen ist beschränkt nach oben und unten. In ihrer Güte stehen die Sous-Vide-Sticks den Standgeräten grundsätzlich in nichts nach.

Welches Gerät soll man kaufen? Bei mir zu Hause leistet ein Gerät von Anova gute Dienste, beruflich arbeite ich regelmäßig mit einem Allpax und einem günstigeren Gerät, das ebenfalls funktioniert. Allerdings zeigen sich Ungenauigkeiten in der Temperaturmessung und genau die ist Grundlage des Prinzips. Hier würde ich nicht am falschen Ende sparen. Rund hundert Euro sollte man schon investieren. Hier gibt es eine Auswahl – kauft ihr über diesen Link, bekommt weidefleisch.org eine kleine Provision vom Vertrieb. Euch entstehen keine Mehrkosten: Auswahl Sous Vide bei Amazon.

Fußnoten

  1. Am besten Silikonbeutel: Die sind lebensmittelecht und wiederverwertbar.
  2. Die längere Garzeit beeinflusst den Geschmack allerdings noch auf andere Weise. Dazu später mehr.
  3. … und der trotzdem vielen Menschen der liebste Zustand ist.
  4. Das stimmt nicht ganz, denn diese Technik ermöglicht uns ein Spiel mit der Zeit, das neue Möglichkeiten eröffnet. Das muss man aber nicht verfolgen. Dazu später mehr.